Eindrücke von einer Reise nach Russland 1. - 12. Mai 2018

Meine Reise führt in folgende fünf Städte:

Samara, Kazan, Nishni Nowgorod, Saransk, Toljatti

 

Idee der Reise:

Fünf mir noch unbekannte Städte in Russland besuchen.

Vier Städte, in denen neue Stadien für die Fussballweltmeisterschaft 2018 gebaut wurden.

Alles Städte an der Wolga. 
Einen ersten Eindruck dieser Städte und Besuch der Stadien kurz vor der WM erhalten.

Reise zwischen den verschiedenen Städten mit Einheimischen (Blablacar).

 Das Ganze in kurzer Zeit (zwölf Tage), low cost, in einer besonderen Zeit in Russland: in den ersten zehn Tagen Mai.

Basel/Zürich - Moskau - Samara 1. Mai 2018

Monika hat mich am nasskalten 1. Mai Morgen (7°) zum Bahnhof gefahren. Mit dem Zug (IR 36) von Basel zum Flughafen Zürich. 

Habe mich eben für die erste Blablacar Fahrt angemeldet bei Evgenji, von Samara nach Kazan am 4. Mai morgens. Bin gespannt, wie das geht. 


Wenn ich jeweils mitteile, dass ich nach Russland reise (und dabei noch spüren lasse, dass mich das freut), stosse ich auf sehr viele Fragen, auf Unverständnis, Vorurteile. Sie betreffen das Land, die Menschen, die Politik, die Frage der Freiheit und Sicherheit, Sibirien ist immer kalt etc. Vieles mag auf Unkenntnis beruhen, auf ungute einzelne Begegnungen etwa in den Ferien, aber auch auf der allgemeinen Stimmung in den mainstream Medien, der Politik im Westen, welche ein negatives  Bild von Russland zeichnen. Wenn man sich ein bisschen mehr mit diesem Land, der Geschichte, der Gesellschaft befasst, so staunt man schon, welch unterschiedliche Massstäbe die Politik und die Medien im Westen anlegen. 


Aeroflot
Ein konkretes Vorurteil gilt der Airline Aeroflot. Sie hat als Bild: nicht sicher, schlechter Service, viele Abstürze etc. . Ich habe die wilden Zeiten der Aeroflot miterlebt mit Hühnern im Gepäcknetz etc. Heute ist sie eine normale Airline (in der Skyteam Allianz), mit gutem Service (sind bemüht, das alte Image abzustreifen). Es gibt sogar ein Programm, das jedem Passagier zeigt, wie viel CO2 er mit dem Flug verbraucht. Ich habe mich jedenfalls immer wohl gefühlt und oft ist auch die Bedienung freundlicher als bei anderen Airlines (Frage des Massstabes und auch des Zufalls).

Flug von Zürich nach Moskau SU 2391, Boeing 737-800, Abflug 13:40 (Zürich lässt uns erst 14:05 starten), Ankunft: 17:55 (Moskauer Zeit).
Flugzeit 2 h 50.

Moskau Sheremetjewo
Moskau empfängt mich mit 21°. Terminal F.
Nun folgt die Einreise mit dem üblichen Schlangestehen an der Passkontrolle. Unterschrift des Einreise- und Ausreisepapiers (dieses bleibt im Pass und muss bei der Ausreise abgegeben werden). Dann knallen die Stempel auf den Papieren, das heisst: man ist durch. Dies dauert insgesamt 15 Minuten.
Dann der Wechsel von Terminal F zu Terminal D (über die obere Etage Terminal E), Dauer: 15 Minuten (inkl. Security Check). Auf dem Flughafen wird intensiv gebaut. Helle Hallen, die schmuddligen Ecken verschwinden. Und im ganzen Flughafengelände ein starkes freies WLAN. 
Von Terminal F aus fliegen die innerrussischen Flüge. Sie starten am Abend bis um  2 Uhr morgen. Die Liste der Abflüge (Wechsel zwischen lateinischen und kyrillischen Buchstaben) ist ein Lehrbuch der russischen Geographie. Grosse Distanzen und mehrere Zeitzonen stehen fast bei jedem Flug an.

Flug vonMoskau nach Samara SU 1216, Airbus A320, Abflug 22:35, Ankunft 00:55.   

Flugzeit 1 h 20.

Bei der Ankunft Regen und 9°.

 

Der Flughafen „Kurumoch“ (nach dem gleichnamigen Dorf) wurde neu gebaut, helle Architektur. Die Gepäckausgabe ist in 5 Minuten erledigt. Der Taxichauffeur erwartet mich. Der Flughafen liegt 50 km von der Stadt weg. Der Grund dafür: der Flughafen "gehört" den beiden Städten Toljatti und Samara. Er ist in der Mitte gebaut worden: Somit sind beide Städte sind 50 km weg. 


Kolja der junge Taxichauffeur erzählt mir über alle Baustellen, die nun im Hinblick auf die WM noch in Arbeit sind. Dazu gehört auch die Strasse vom Flughafen in die Stadt, die jedoch zum grössten Teil fertig ist. Er hat mit Fussball nicht viel am Hut. Sein Schwager ist Velorennfahrer, er konnte mit ihm letztes Jahr drei Wochen nach Belgien. Dort hat es ihm sehr gefallen (er betont mehrfach: sauber war es dort). Plötzlich sehen wir das riesige Stadion, hell erleuchtet. Er bietet mir an, beim Stadion vorbeizuschauen. So kam ich zu meinem ersten Stadionbesuch um 2 Uhr in der Früh. Rund um das Stadion wurde noch intensiv gearbeitet, Bagger waren am Werk. Das Stadion ist fertig, die Umgebungsarbeiten jedoch noch nicht (43 Tage vor der WM).
Gegen 02:30 Uhr bin ich im Hotel (00:30 Schweizer Zeit) angekommen.  


Samara 2. Mai

Samara (russisch Сама́ра; 1935–1990 Kuibyschew (Ку́йбышев)) ist eine Industriestadt im Südosten des europäischen Teils Russlands, am Ostufer der Wolga gelegen. Sie hat 1.164.685 Einwohner (Stand 14. Oktober 2010) und ist damit die sechstgrößte Stadt Russlands. Samara ist die Hauptstadt der Oblast Samara.

Es existieren zwei Haupttheorien über den Ursprung des Namens „Samara“. Nach der ersten Version bekam die Stadt ihren Namen nach dem Fluss Samara, der bei der Stadt in die Wolga mündet. In den Turksprachen bedeutet Samara „Steppenfluss“. Die zweite Version besagt, dass der Name der Stadt vom griechischen Wort „Samar“ – Kaufmann, Händler, sowie „Ra“, einem alten Namen der Wolga stammt.

Erstmals wird Samara in einer russischen Chronik aus dem Jahr 1361 erwähnt. Auf einer 1367 erstellten Karte der Wolga der venezianischen Kaufleute Francesco und Dominico Pizzigano ist eine Siedlung Samara gekennzeichnet.

 

 

Die Stadt hatte eine besondere Bedeutung im 2. Weltkrieg, als vor der Schlacht um Moskau im Oktober 1941 viele Regierungsorgane nach Samara evakuiert wurden. Es folgten viele Botschaften, dann das Bolshoi Ballet und Künstler wie Dmitri Schostakowitsch, Ilja Ehrenburg, Emil Gilels. Für Stalin wurde der bis Ende des Krieges geheime „Stalinbunker“ in 37 m Tiefe eingerichtet.

     

Nach dem Krieg wurde Samara zu einem grossen industriellen und kulturellen Zentrum: Flugzeug- und Maschinenbau hatten hier ihre Schwerpunkte. Die Flugzeuge Tupolew werden hier hergestellt, ebenso die Sojus Raketen. Die Lebensmittelindustrie hat einige bekannte Grossbetrieb wie die Schokoladenfabrik Rossija. Samara ist eine der grössten Wissenschafts- und Hochschulzentren Russlands mit 27 Universitäten und Hochschulen sowie 80 Forschungseinrichtungen. 

     

Die Stadt hat zahlreiche Theater, eine Philharmonie und eine Oper. Berühmt ist das Gorki Theater (Maxim Gorki war zu Beginn seiner Karriere bei der Samarer Zeitung angestellt). Die 7. Sinfonie von Schostakowitsch („Leningrader“) wurde hier uraufgeführt. In der Stadt lebte viele berühmte Maler wie Ilja Repin, Wassilji Surikow, Iwan Aiwasowski. 

 

Berühmt ist die Stadt für die über 50 km lange Wolgapromenade. 

      

Bis zur Auflösung der Sowjetunion war die Stadt für westliche Ausländer nicht zugänglich. 

 

 

Stadtbummel Samara 

 

Stadtbummel? Die Stadt ist 50 km lang - mehr als eine Marathonstrecke. Also Stadtbummel heisst: das Zentrum suchen. Ich fahre mit dem Tram Nummer 20 stadteinwärts (25 Rubel = 39 Rp.). 

 

Steige beim Zentralen Park aus: Samara Park (früher - zum Teil auch jetzt noch - bezeichnet mit Kuibyschew). Auf dem Platz steht noch das Denkmal von ihm. Es ist das übliche Hin- und Her-Pendeln zwischen dem alten und dem neuen. Hinter dem Denkmal die weitherum bekannte Oper von Samara mit dem berühmten Ballett. Auf dem Platz davor ist alles eingerichtet für den 9. Mai: Tribünen, Markierung auf dem Boden für die Parade etc..

 

In der Nähe ist der Stalinbunker, das Gorki Theater gleich daneben. Ein Kloster mit vielen Türmen und Fabrikschlote (Schiguli Bier) geben einen speziellen Mix. Von diesem Ort aus die Sicht runter auf die Wolga – wie etwa auf der Pfalz in Basel.

 

Ich besuche das regionale Historische Museum in einem alten Jugendstilbau mit entsprechendem Intérieur und einer speziellen Ausstellung zum Thema Jugendstil. Sehr schön ausgewählte Objekte und gepflegte Einrichtung.

Die in der Nähe gelegene Philharmonie ist auch im Jugendstil gebaut. 

Im Untergeschoss eine kleine feine Ausstellung über die Orthographiereform anfangs 20. Jahrhundert.

Philharmonie in Samara, Gebäude, Eingangstüren und Gedenktafel für Fjodor Schaljapin

Am frühen Abend bin ich im Zentrum auf viel Uniformierte gestossen. Wie sich herausstellte: heute Abend Generalprobe für die 9. Mai Parade. Ich habe das schon einmal in Jekaterinburg erlebt (bei bitterer Kälte bis gegen Mitternacht). Heute ein linder Frühingsabend. Viel Publikum - und wie bei allen Generalproben eine besondere Stimmung. 

Heute denke ich an den Geburtstag unseres Vaters, meiner Schwester und mir. Nach meinem gestrigen Flug kam mir die Erinnerung an die Geschichte seines 20. Geburtstages 1932. Mit dem ersparten Taschengeld ist er heimlich mit dem Velo von Aesch nach Birsfelden gefahren mit seinem 14 Jahre jüngeren Bruder auf dem Kindersitz. Er hat seinem kleinen Bruder einen Sirup spendiert, und ist zu einem für jene Zeit abenteuerlichen Rundflug von der Graspiste aus gestartet. Ich erinnere mich jedes Jahr daran, wie mir mein Vater begeistert schilderte, dass er vom Flugzeug aus überall die Wiesen voll mit gelbem Löwenzahn gesehen hat. Meine Schwester hat heute an "seinem" Platz im Wald "Maieriesli" gepflückt, wie mein Vater das jedes Jahr an seinem Geburtstag tat. Ich habe ihm in einer Kirche eine Kerze angezündet.

 

Samara 3. Mai

Stadion Samara –Arena

Die Samara Arena (im Internet noch: Kosmos-Arena, russisch Космос Арена, nun überall angeschrieben: Samara-Arena) ist ein Fußballstadion in der russischen Stadt Samara, das für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 errichtet wurde. Die Arena wird zukünftig die Spielstätte des Fußballvereins Krylja Sowetow Samara aus der russischen Premjer-Liga sein. Die Fußballarena soll den Besuchern 44.918 Sitzplätze bieten und das Metallurg-Stadion ersetzen. Die Behörden kündigten für ihren Entwurf Ende 2012 voraussichtliche Baukosten von 285 Millionen Euro an.

 

In der Bewerbung, die bei der FIFA eingereicht wurde, wurde als Arenalage eine Insel mit wenig Infrastruktur südlich der Stadt Samara angegeben. So gab es zu dieser Zeit nicht einmal eine Brücke. Auf Kritik hin wurde das geplante Stadion nach Norden innerhalb der Stadtgrenze verlegt. Ursprüngliche Planungen gingen von einer Fläche von 27 ha aus, aber diese wurde zunächst auf 240 ha und danach auf 930 ha vergrößert. Für die FIFA sind Stadien der Größe von 18 bis 24 ha üblich.

 

Capacity: 44,807

Completed: Early 2018 (expected)

Cost: $320m

Games hosted at Russia 2018: Costa Rica v Serbia, 17 June; Denmark v Australia, 21 June; Uruguay v Russia, 25 June; Senegal v Colombia, 28 June; Round of 16, 2 July; Quarter-final, 7 July.

 

 

 

Das Stadion "Samara-Arena" heute – 42 Tage vor Beginn der WM

 

Mit dem Taxi fahre ich vom Hotel im Norden der Stadt zum nördlich gelegenen Stadion. Ich habe es ja bereits mal mitten in der Nacht gesehen. Das Stadion scheint von aussen fertig zu sein (ich konnte nicht in den Innenraum gehen). Ich habe lediglich auf dem Trainingsplatz aussen spriessenden grünen Rasen gesehen. Rund um das Stadion: eine Grossbaustelle. Es wird überall gearbeitet. Da und dort ein einzelnes grünes Bäumchen und ein blühender Strauch. Der Weg zum Stadion ist nicht einfach, er ist fast überall blockiert mit Lastwagen, und wo mal eine freie Stelle wäre, steht ein Einbahnschild. Der Tyifahrer lässt sich jedoch nicht entmutigen, schliesslich landen wir vor dem Stadion. Es ist die Atmosphäre, die ich gewünscht habe zu sehen. Alle wissen, dass es in 40 Tagen fertig sein muss, es scheint: alle machen irgendwo etwas, aber alle glauben, dass es gelingen wird. Das sei halt so normal hier (das Wort „normal" - russisch: нормальнo - wird sehr oft gebraucht – auch in fast nach unseren Massstäbena - aussichtslosen Situationen).
Mein Taxifahrer heisst übrigens Waldis, was mich natürlich stutzig machte, und wirklich, es ist ein lettischer Name (auf Russisch würde er Vladimir heissen). Sein Vater Lette, seine Mutter Russin, geboren ist er in Liepāja/Lettland, einen Ort, den wir aus verschiedenen Gründen sehr gut kennen. So hatten wir neben dem Stadion noch andere Themen. Während den Gesprächen stellte sich auch heraus, dass er bereits dreifacher Grossvater ist (seine Frau hat angerufen wegen einer Enkelin) und formell pensioniert (sieht nicht so aus). Er will/muss durch das Taxifahren etwas zu seiner relativ geringen Pension hinzuverdienen. Waldis führte mich dann noch in einen Laden, wo ich ein Kabel fürs Aufladen des Handys kaufte. Der Laden besteht eigentlich nur aus einem Lager. In schnellster Zeit lieferte er zu einem sehr günstigen Preis ein Kabel. Die Fahrt endete schliesslich beim Auto Busbahnhof (wo ich eine russische Simcard - prepaid - erstand).

Insgesamt dauerte die Fahrt mit Baustellenbesuch etwas mehr als 1 Stunde. Auf dem Taximeter sprich: Taximeter auf dem Handy - waren 750 Rubel drauf (= CHF 11,75).

 

 

Wolgapromenade

Am Nachmittag gehe ich zu dem Ort, der als wichtigste Sehenswürdigkeit von Samara geschildert wird: Wolgapromenade. Und es ist wirklich ein fantastischer Ort. Die breite Wolga und die breiten Promenaden dem Fluss entlang. Sie sind auf mehreren Stufen angeordnet. Sie haben einen benutzerfreundlichen Belag für alle Arten von Nutzungen (Fussgänger, Velo, Kinderwagen etc.). Angenehm zu gehen (manche Stadtplaner könnten hier noch was lernen). Die Bereiche Fussgänger und "Räder" sind klar getrennt, man kann sorglos flanieren. Überall auch Orte wo man verweilen kann. Hier kommt keine Hektik auf, das Tempo ist gemächlich. Natürlich gehört dazu auch eine Glacé - bei 28°.

 

Vom Wolgaufer aus gelangt man zu einem der wichtigsten Plätze der Stadt: «Platz des Ruhmes». Von dort aus bietet sich ein Panoramablick auf die Wolga. Hier steht das Monument des Ruhmes – ein 40-Meter-Postament und darauf die 13 Meter hohe Figur eines Arbeiters, der in den Händen stilisierte Flügel hält. Das Monument ist eines der Hauptsymbole von Samara. Etwas weiter wurde die ewige Flamme in Erinnerung an die Hunderttausende von Stadtbürgern entzündet, die für ihre Heimat im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten. Daneben steht die Kirche des Hl. Georg bei diesem Platz. Dem gegenüber steht das mehrstöckige Gebäude der Regierung der Oblast Samara, das die Bewohner der Stadt "das Weisse Haus" nennen.

 

Première im Gorki-Schauspielhaus

 

Am Abend besuche ich die Premiere des Schauspiels «Korsikanka» von Jiří Hupač im berühmten Gorki-Schauspielhaus, eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Es wurde 1888 gebaut. Das Theater beginnt um 18:00 Uhr, das Theater ist voll besetzt. Für das Ticket habe ich 500 Rubel bezahlt (7,80 CHF). Das Stück – eine Komödie in zwei Akten - handelt von Napoleon auf St. Helena, wo eine Köchin namens Josephina erscheint und eine Hauptrolle übernimmt. Das Stück ist konventionell inszeniert. Hervorragend ist die Behandlung der Sprache. Die grosse Spannweite der russischen Sprache wird spürbar (auch wenn man nicht alles im Detail versteht). Eine unglaubliche Sprachbeherrschung mit einer grossen Variabilität der Tempi, unterschiedliche Melodik etc. Vor allem die Trägerin der Hauptrolle – Evgenija Gluschenko - zeigt Sprachgestaltung von höchster Qualität.

 

Abschied von Samara

 

Nun heisst es Abschied nehmen von Samara von meinem ersten Besuch hier. Anfänglich hatte ich etwas Mühe mit dieser Stadt, da ich kein Gesicht erkannte, es für mich kein sichtbares, belebtes Zentrum gab. Verständlich, da die Stadt über Dutzende Kilometer verteilt ist. Ich habe dann jedoch in kurzer Zeit einige örtliche und menschliche Begegnungen gehabt, die mir die Stadt nähergebracht haben. Ich habe hier viel an Lebensqualität erfahren. Und ich werde natürlich bei der WM versuchen, einen Match zu sehen und dabei einen Blick auf die Umgebungsgestaltung werfen zu können...

 


Samara - Kazan 4. Mai

Weg von Samara - Kazan

 

Nun beginnt für mich ein neues Kapitel: Blablacar Fahrten - Mitfahrgelegenheiten per App. Ich habe für den Weg Samara - Kasan drei Versuche gemacht: zuerst Evgenji, der mir dann absagte, dann Askar, der mir absagte wegen meinem Koffer. Schliesslich hat mich Juri akzeptiert. Treffpunkt um 7 Uhr morgens beim Einkaufszentrum Samolet. Kosten der Fahrt (ca. 350 km) 600 Rubel (9 CHF): Ich fahre mit dem Taxi zu diesem Treffpunkt. Dort sehe ich ein junges Paar: es ist Olga und ihr italienischer Freund, der ebenfalls mitfährt. Dann kommt Juri in seinem Lada Largus. Ein bulliger untersetzter kräftiger Mann, sieht etwas älter aus seine 42 Jahre. Da habe ich sofort Vertrauen. Dann kommen dazu Maja um die 20 und schliesslich Svetlana um die 40, mit der ich auf der Rückbank sitze, anfänglich nicht sehr kommunikativ. Im Auto ist es still. Juri stellt das Radio ein, ganz leise, der erste Song ist von Adriano Celentano: E intanto il tempo se ne va... Los geht es. Ich schreibe auf der Rückbank diesen Text und dann Relax: Landschaft anschauen, meist flach, Sicht bis zum Horizont. Eine breite Landstrasse, ab und zu mit Schlaglöchern (Gruss vom Winter), denen Juri geschickt auszuweichen versucht. Fahrt durch Dörfer, zwischen weiten Feldern, Wäldern (unterwegs ein Schild: „der Wald ist der Reichtum der Natur“).

 

Svetlana, Ökonomin taut beim 2. Kaffeehalt auf. Ich fragte sie nach einem der vielen grossen Wandel in der Gesellschaft: Bezug zum Geld. Sie bestätigte das. Früher spielte das Geld eine untergeordnete Rolle: nach aussen keine konvertible Währung, nach innen: praktisch alles über Tauschgeschäft und man musste dazu notgedrungenermassen - wenn man nicht zur Nomenklatura gehörte - sehr “kreativ“ sein in diesem Umfeld der staatlich verordneten resp. zu verantwortenden Mangelwirtschaft, Warenknappheit. Ein bekanntes Beispiel: der - natürlich staatliche - Taxifahrer, der 50 Liter Benzin an der staatlichen Zapfstelle tankte, hat dann einen Teil davon verkaufen müssen, um ein überlebensnotwendiges Zusatzeinkommenssteuer zu haben. Die Beispiele sind unzählig, der Erfindungsreichtum unbegrenzt. Die Umstellung auf die jetzige Situation ist vor allem für die ältere Generation schwierig. Dann reden wir über linguistische Themen. Sie machte mich dabei noch auf folgendes aufmerksam: die Städte am linken Ufer der Wolga sind weiblich (Samara, Kasan etc.), rechts: männlich. Ich werde dem noch auf der Karte nachgehen. Der Wechsel des Namens von Samara zu Kuibyschew war in mehrerer Hinsicht ein Bruch. Nun nähern wir uns Kasan. Fahren über die grossen Wolgabrücken. Juri bringt uns sicher zum Ziel (auf dem riesigen Parkplatz mit Ikea, Obi, Mega). Von dort mit Taxi zum Hotel ins Zentrum.

 

 

 

Eben hier in Kasan angekommen, habe ich auf Hinweis von Monika das Interview mit Hélène Carrère d'Encausse in der Baz gelesen (https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/politik/%C2%ABdie-sanktionen-gegen-russland-bringen-nichts%C2%BB/ar-AAwCFBw?li=BBqfZdU). Ihre Bücher begleiten mich seit langem, sind ein ganz wichtiger Schlüssel für das Verständnis von Russland, des Ostens. Siehe im erwähnten Text auch u.a. Kasan, Tatarstan.

Kasan (russisch Каза́нь; tatarisch Казан) ist die Hauptstadt der Republik Tatarstan in Russland. Mit 1.143.535 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010) ist Kasan die achtgrößte Stadt Russlands. Die Stadt an der Wolga liegt rund 800 km östlich von Moskau und ist ein wichtiges Zentrum des russischen Islams sowie ein bedeutender Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort und Verkehrsknotenpunkt.

Die Stadt Kasan wurde wahrscheinlich von den Wolgabulgaren 1177 gegründet. Mit dem Einfall der Goldenen Horde verloren die Wolgabulgaren im 13. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit. Der Niedergang der mongolischen Herrschaft führte 1393 zur Bildung des Khanats von Kasan (ca. 1437–1552). Als Hauptstadt des Khanats entwickelte sich Kasan zur Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem wichtigen Handels- und Handwerkszentrum. Die an Handelsrouten gelegene Stadt war bekannt für ihre prächtigen Paläste und Moscheen, durch Lederwaren und Goldschmiedearbeiten.

 

Kasan hat im Zentrum eine urbane Ausstrahlung. Die Fussgängerzone Baumannstrasse wird der «Kasaner Arbat» genannt. Streckenweise erlebe ich die Strasse wie eine Kopie des Moskauer Arbat. Viel Leben auf dieser Strasse, Leute die flanieren, Verkaufsstände, Restaurants, Aktionen. Wie üblich auf meinem Reisen in den Osten gehe ich zum Coiffeur (in Russland heisst er «парикмахер» parikmacher – dem deutschen Wort «Perückenmacher» entlehnt).  Auf dem Rückweg begegne ich dem Schaljapin Denkmal. Der berühmte Opernsänger Fjodor Iwanowitsch Schaljapin (1873 - 1938 in Paris) in der Stimmlage Bass wurde hier als Sohn einer einfachen Bauernfamilie geboren und ist hier aufgewachsen. Er ist 1922 emigriert. 1984 wurden seine sterblichen Überreste auf den Moskauer Nowodewitschi-Friedhof überführt.

 

Bei Venera habe ich süsse Süssigkeiten (ja, sind sehr süss) gekauft. Ihre Biographie: sie ist in Turkmenistan geboren. Dann nach Baschkortostan, autonome Republik in Russland (Hauptstadt Ufa) umgezogen. Nun lebt sie in Kasan. Ihr gefällt es hier sehr, ist gerne hier. Sie ist jeden Tag am Stand. Ich fragte nach Ferien und Freizeit: ja im November.

 

 

 

Durch die Baumannstrasse gehe ich zum Kasaner Kreml, einer der wichtigsten Punkte in Kasan. Im Kasaner Kreml – Weltkulturerbe - befinden sich u.a. die im 16. Jahrhundert erbaute Kathedrale, die Grosse Kul-Scharif Moschee, das Museum der tatarischen Geschichte. Von einem der Wachtürme hat man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt und auf den Kasanka Fluss (Nebenfluss der Wolga).

 

Tatarstan ist eine autonome Republik. Sie hat 3,7 Millionen Einwohner. Das Zusammentreffen mindestens dreier Kulturkreise (des turktatarischen, des russischen und des finno-ugrischen) sowie zweier Religionen (Islam und Christentum) definiert die Einzigartigkeit dieser Region, die Originalität ihrer Kultur und ihrer Werte. 

 

 

Kazan 5. Mai

Ein kleiner Exkurs

Drei wichtige Orte im russischen Leben

 

Wenn ich russische Städte besuche oder Orte, so schaue ich mir immer drei bestimmte Orte an. Es ist der Bahnhof, der Markt und der Friedhof. Dies ist eigentlich auch eine Metapher für das Leben: Geburt - Leben - Tod.

 

Bahnhöfe haben in Russland ein eigenes Gesicht, ein eigenes Leben. Vor allem die Bahnhöfe, an der die Transsibirische vorbeifährt mit Reisenden, die während Tagen unterwegs sind oder mehrere Tage auf die Reise gehen, sind ein besonderes Erlebnis.

 

Die Märkte sind meist sehr farbig und haben immer die gleiche Inszenierung. Neben Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte findet man auch immer die Abteilung von Dörrfrüchten (meist von Usbeken und Tadschiken geführt), viele Gewürze etc. Meist sind auch die Produkte kunstvoll arrangiert.

 

Friedhöfe haben eine noch viel weitergehende Bedeutung als bei uns im Westen. Das hängt auch mit der Beziehung zu den Toten zusammen. Auf den Gräbern findet man meist einen Tisch und zwei Bänke, wo man hingeht und mit den Toten isst, ihnen etwas da lässt: ein Glas Wodka, eine Tomate oder eine ein paar Trauben aus dem eigenen Garten. Grabsteine erzählen das Leben des Toten, man kann die Biografie an den Gräbern direkt ablesen. Es hat zum Teil wundervolle, ganz speziell gestaltete Kunstwerke. Auch da kann man verweilen. So war es für mich eigentlich keine Überraschung, dass bei der Homepage mit den touristischen Sehenswürdigkeiten für die Fussball Weltmeisterschaft 2018 es eine spezielle Rubrik gibt: Friedhöfe: http://welcome2018.com/de/cities/moscow/historic-cemeteries/

 

Der link zu dieser website allgemein: welcome2018.com/  (ist als App konzipiert: welcome2018).

 

Der Hauptbahnhof in Kasan ist ein über 100 Jahre altes Backsteingebäude. Es verbindet Kasan unter anderem auch mit Moskau (vom Kasaner Bahnhof aus). Fahrzeit ca. 11 Stunden. Hier Impressionen vom Bahnhof.

Der zentrale Markt in Kasan entspricht den üblichen Märkten in Russland. Die Besonderheit hier ist, dass es bei gewissen Angeboten eine Trennung gibt zwischen dem russischen und den islamischen (insbesondere etwa beim Fleisch: Schweinefleisch bei den Russen, Kalbs- und Rindleich bei den Muslimen, die Verkäuferinnen mit Kopftuch). Hier ein paar Impressionen. Am Dörrfrüchtstand werde ich von Bachodur mit Salam Aleikum begrüsst (er ist aus Tadschikistan). Er ist ein geschickter Händler. Ich verlasse den Stand mit drei Päcklein als Mitbringsel nach Hause.

 

 

Hier mein Frühstück bei den Usbeken: das Brot (Lavasch) direkt frisch gebacken mit Kaffee (40 Rubel= 60 Rp.).

 

Friedhöfe

Ich habe heute zwei Friedhöfe besucht – einen tatarischen und einen russischen.

 

Tatarischer Friedhof

Dieser ist ähnlich den russischen Friedhöfen. Die Gräber sind ähnlich gestaltet mit zum Teil naturalistischen Porträts. Die Schrift und Sprache sind meist tatarisch, oft auch sind arabische Schriftzeichen zu sehen. Und bei den meisten Gräbern ist der Halbmond präsent.

Auf dem Friedhof ist jedoch wie auf dem russischen Friedhof nun die Zeit des Reinigens der Gräber nach der Winterzeit.

Hier ein paar Bilder.

 

 

Russischer Friedhof

Im Unterschied zum tatarischen Friedhof gibt es hier mehr Bänke und Tische auf den Gräbern und auch noch stärker emotional gestaltete Grabsteine.

Hier ein paar Bilder.

 

 

Am späteren Nachmittag habe ich das Museum der tatarischen Republik besucht. Dort hat mich insbesondere auch die Sonderausstellung zu den beiden Tänzern Rudolf Chametowitsch Nurejew (1938 – 1993) mit tatarischer Abstammung in Irkutsk geboren und Michail Michailowitsch Baryshnikov (geb. 1948 in Riga als Sohn russischer Eltern, lebt in New York) interessiert. Die Ausstellung fand zum 80. Geburtstag von Nurejew statt. Beide sind emigriert: Nurejew 1961 in Paris, Baryshnikov 1974 in Kanada (einen eindrücklichen Einblick in das Leben der grossen Ballettänzer und Primaballerinen geben die beiden biographischen Bücher von Maja Michailowna Plissezkaja). Es werden Bilder dieser beiden Tänzer von zeitgenössischen Künstlern gezeigt. Als Leitmotiv ist der Ausstellung ein Zitat von Maximilian Alexandrowitsch Woloschin (1877 – 1932), der auch in Dornach gewirkt hat, vorangestellt (im Wesentlichen: der Körper als musikalisches Instrument).

 

Den Abend habe ich im Theater beschlossen. Genauer im «Akademischen russischen grossen dramatischen Theater von Kasan namens Katschalow» in der Baumannstrasse. Es war die Premiere des Stücks von Michail Afanassjewitsch Bulgakow (1891 – 1940): «Flucht» (Бег). Das Spiel spielt am Ende der Revolution im Bürgerkrieg auf der Krim. Die Flucht führte über Konstantinopel nach Paris, die Gruppe geht dann trotz grosser Risiken wieder zurück nach Russland, weil sie den «geliebten russischen Schneewinter» wieder erleben wollen. Das Stück ist hervorragend inszeniert von der Schauspielführung über das Bühnenbild, die Bewegung der Schauspieler und der Musik.

(Noch ein Nachsatz: die Werke von Bulgakow wurden von 1930-1966/67 nicht mehr gedruckt. Er meinte dazu: «Auf dem weiten Feld der russischen Literatur in der UDSSR war ich ein einsamer literarischer Wolf. Man hat mir geraten, mein Fell zu färben. Ein dummer Rat. Ein Wolf, ob gefärbt oder geschoren, wird nie wie ein Pudel aussehen. Man ist mit mir auch umgegangen wie mit einem Wolf. Mehrere Jahre hat man mich gejagt nach den Regeln der literarischen Hatz, so, wie man ein schon gefangenes Tier im umzäunten Hof hetzt.»

Im Programmheft ist das Gedicht von Anna Achmatowa zum Tod von Bulgakow abgedruckt – auch sie hatte von 1922-1940 Publikationsverbot, in voller Länge konnten ihre Gedichte erst wieder 1962 gedruckt werden).

 

Als Nachsatz dazu: kurz vor meiner Abreise hatte ich ein Gespräch mit einer Berliner Journalistin. Wir sprachen über das Buch von Valentina Freimane "Adieu Atlantis" (sie ist im Ferbuar dieses Jahres gestorben, sie beschreibt im Buch ihre Jugendzeit als lettische Jüdin in Riga und Berlin. Wir haben sie Ende letzten Jahres in Berlin besucht).  Die Journalistin meinte, das Buch gebe es zwar auf russisch, aber es wird in Russland nicht verkauft, weil es da Zensur gebe. Dazu nur so viel: das Buch gibt es hier zu kaufen - und vor allem: man kann alles als ebook herunterladen (siehe dazu: https://www.livelib.ru/book/1000789023-proschaj-atlantida-valentina-frejmane). Ganz generell: das Publikationsverbot in der Sowjetzeit wurde mit Samisdat umgangen. Heute ist alles erreichbar - in allen Lebensbereichen - über Internet und Smartphone - ein riesger gesellschaftlicher Wandel. 

 

Stadion Kasan-Arena

 

Die Kasan-Arena (russisch Каза́нь Аре́на) ist ein Fußballstadion im Nordosten der russischen Stadt Kasan, Republik Tatarstan. Es bietet den Besuchern 45.105 Sitzplätze an. Die Arena ersetzt das Zentralstadion von 1960 als Heimstätte des Fußballvereins Rubin Kasan.

Am 5. Mai 2010 legte der damaligen russische Ministerpräsident Wladimir Putin den Grundstein für den modernen Stadionbau. Die Veranstaltungsstätte ist in ihrer Form einer Seerose nachempfunden. Nach einer Abstimmung im Internet über den Namen der modernen Arena setzte sich der Vorschlag Kasan-Arena mit 45 Prozent der 9477 Stimmen durch. Nach Verzögerungen und verschobener Eröffnung am 9. Mai 2013 wurde das Stadion rechtzeitig fertiggestellt zur Sommer-Universiade 2013 und am 14. Juni des Jahres eingeweiht. Anfänglich ging man von Baukosten von 5,6 Milliarden Rubel (etwa 132 Mio. Euro) aus. Letztendlich verdreifachten sich die Kosten fast auf 15,5 Milliarden Rubel (rund 465 Mio. Euro).

Eine geschwungene Dachlinie, die vom Mittelpunkt der Haupt- wie Gegentribüne zu den Rängen hinter den Toren abfällt, zeichnet das Stadion aus. Ein weiteres prägnantes Merkmal ist die große LED-Medienfassade in HD-Qualität. Mit einer Breite von 150 Metern und, am höchsten Punkt, 35 Metern Höhe ist sie die weltgrößte LED-Fassade an einem Fußballstadion. Sie besitzt eine Fläche von 3.622 Quadratmeter und ist mit drei Millionen LEDs bestückt.

In der Kasan-Arena wurden die Eröffnungs- und die Schlussfeier der Sommer-Universiade 2013 abgehalten. Der Fußballclub Rubin Kasan wird in der Arena seine Heimspiele austragen. Im Juli 2011 konnte sich Kasan gegen das mexikanische Guadalajara und Hongkong (China) um die Austragung der Schwimmweltmeisterschaften 2015 durchsetzen. Die Schwimmwettbewerbe wurden in der Kasan-Arena ausgetragen. Dafür wurden zwei temporäre 50-Meter-Schwimmbecken im Stadion mit 12.000 Plätzen.

Die Stadt Kasan war eine von 14 Bewerberstädten als Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Am 30. August 2012 gab die FIFA bekannt, dass Kasan mit der Kasan-Arena neben elf weiteren Stadien Spielort des Fußball-Weltturniers sein wird. Ein Jahr vor der WM war die Arena einer von vier Schauplätzen des FIFA-Konföderationen-Pokals 2017.

 

(Wikipedia 19.4.2018)

 

 

Capacity: 45,379

Completed: July 2013

Cost: $439.7m

Games at Russia 2018 France v Australia, 16 June; Iran v Spain, 20 June; Poland v Colombia, 24 June; South Korea v Germany, 27 June; Round of 16, 30 June; Quarter-final, 6 July.

 

Besuch der Kazan Arena

Am frühen Nachmittag vom 5. Mai habe ich die Kazan Arena besucht, ein von weit her sichtbar eleganter Bau, der schon einige Jahre fertiggestellt ist. Der Bau selber ist am heutigen Tag nicht zugänglich (ein nächstes Fussballspiel findet an 7. Mai statt).

 

Dazu die Bilder.

 

Abschied von Kazan

Zu dieser Stadt hatte ich vom ersten Moment an eine Beziehung. Eine fast italienische Mentalität, selbstbewusste Menschen, ein klares zwar vielfältiges Gesicht. Reiche Kultur aus verschiedenen Kuturkreisen. Hier lässt sich gut leben.

Und ich denke an die WM, bei der sich in der Gruppenphase hier aus den Brennpunkten der Welt treffen: Frankreich, Iran, Polen, Südkorea, Deutschland, nebst Australien und Kolumbien.

 


Kazan - Nishni Novgorod 6. Mai

Weg von Kazan nach Nishni Nowgorod 

 

Kamill aus Machatschkala, Dagestan bringt mich mit dem Taxi zum Treffpunkt um 12 Uhr zu meiner zweiten Blablacar Fahrt: Ikea. Die erste Fahrt habe ich mit dem Profil „Neuling“ begonnen, die zweite nun als „Aufsteiger“.

 

Im Eingangsbereich werde ich auf meiner russischen Nummer (altes iphone) angerufen - wir stehen 100 Meter auseinander: Roman mein Fahrer. Er ist Jurist und arbeitete als Verkäufer von John Deere Landwirtschaftsmaschinen. Er ist am Morgen von seinen Eltern hergefahren aus Ischwesk, der Hauptstadt der Udmurtischen Republik. Sein Vater ist Udmurte, seine Mutter Russin. Die udmurtische Sprache ist eine finno-ugrische Sprache. Wir hatten im voraus ein sms Konversation wegen meinem Koffer. Wir müssen nun einiges umpacken im Kofferraum. Ich sehe alle die Sachen, die ihm seine Mama aus dem Garten mitgegeben hat: ein Kistchen Kartoffeln, Gemüse etc., vom Vater eine 10 Liter Flasche eigenen Wein. Er schafft es mit Geschick, mein Gepäck unterzubringen. Wir warten noch auf unsere Mitfahrerin, die bald auftaucht. Es ist die 18 jährige Olga, Studentin im Bereich IT. Sie lebt in Nishni Novgorod in einer Obschischitie (Wohnheim) und war für das Wochende ein paar Tage als „Touristin“, wie sie scherzhaft sagt, in Kasan. Sie ist - wie sie uns zum Erstaunen erzählt - heute Morgen in dem Fluss Kasanka baden gegangen (bei etwa 10 Grad...). Beim Kaffeehalt erfahren wir, dass Olga in der Zirkusschule war mit der Spezialität Equlibristik, Jonglieren. Ist ja nicht weit entfernt von IT...Wir führen eine heitere lockere Konversation,  lachen viel. Roman packt dann während der Fahrt einen Sack voll Tschebureki aus (eine Art Piroggen mit Kalb- und Schweinefleisch Füllung), die seine Mama gestern Nacht gemacht. Ist vorzüglich. Roman warnt uns: wenn Tatarstan zu Ende ist, dann werden wir mit dem Eintritt in die Tschuwaschische Republik schlechte Strassen vorfinden. Und tatsächlich, es wechselt auf einen Schlag (resp. unzählige Schläge). Unterwegs in Zivilsk steigt dann noch Regina, 40 ein. Sie ist die erste Stunde ruhig. Ich muss viel über die Schweiz erzählen (für einmal wurde die Schweiz nicht mit Schweden verwechselt). Sie fanden es lustig, dass alle meine Fahrten länger sind als die längste Durchquerung der Schweiz. Je näher wir zu Nishni Nowgorod kamen, wurde die Diskussion intensiver, wo fahren wir durch, wo hat es am wenigsten Stau. Jeder hatte sein App mit den Staumeldungen (das russische Wort für Stau ist: пробка = propka - kann man sich merken). Und da ist er der Stau. Grund: es ist - wie jedes Jahr nach dem Winter - eine Brücke eingestürzt, das sei aber bis zur WM repariert. Und nun beginnt der „Russkji Marathon“…Man überholt, wo es gerade geht, weicht den Löchern aus. Plötzlich biegt unser Fahrer nach rechts ab, er hat eine breite Piste entdeckt, die über die Felder läuft. In Staubwolken fahren die Autos querfeldein. Auch da muss man allen Löchern ausweichen. Ich habe in keinem Moment Bedenken gehabt. Der Fahrer fährt zu gut. Er hat wie er sagte früher an einem Tag praktisch wöchentlich die Strecke Ischewsk und zurückgefahren, weit über 1000 km. Interessant: niemand hupt und während den zwei Stunden „Russkji Marathon“ haben wir nur einen Blechschaden gesehen. Und dank diesem wilden Ritt kommen wir auf ein stau(b)freie Autobahn.  Es wird beschlossen, die Fahrt bei der Endstation der Metro zu beenden. Ich wollte mit dem Gepäck mit dem Taxi gehen. Alle rieten mir dringend ab: propka! Eine gute erlebnisreiche Fahrt, die insgesamt 7 Stunden gedauert hat (Kosten: 650 Rubel, rund 10 CHF).

 

Also nun runter in die Metro (ohne Rolltreppen, aber alles ok!). Die Metro ist etwa 30 Jahre alt. Um an die Endstation zu kommen, muss man - obwohl es nur eine Linie hat – umsteigen über eine Überführung. Dh Stägeli uff Stägeli ab. Ich komme gegen 20 Uhr im Hotel an.

 

Nishni Novgorod 7. Mai

Nischni Nowgorod (russisch Ни́жний Но́вгород ; 1932 bis 1990 Gorki, russisch Го́рький) ist mit 1.250.619 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010) und mehr als zwei Millionen in der Region die fünftgrößte Stadt Russlands. Sie liegt rund 400 km östlich von Moskau an der Einmündung der Oka in die Wolga und ist die Hauptstadt der Oblast Nischni Nowgorod sowie des Föderationskreises Wolga.

Die Stadt wurde 1221 von Juri II. Wsewolodowitsch, dem Großfürsten des Wladimirer Fürstentum, gegründet.


Die für die russische Geschichte bedeutsame Stadt entwickelte sich um 1850 zur Drehscheibe des russischen Handels und während der Zeit der Sowjetunion zu einer bedeutsamen Industrie-Metropole. Nischni Nowgorod ist heute ein wichtiges politisches, wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum Russlands. Es ist der größte Verkehrsknotenpunkt und Regierungszentrum der Föderationskreises Wolga und eines der Hauptziele des Flusstourismus in Russland. Im Stadtzentrum befinden sich Universitäten, Kirchen, Museen und Theater. Der Kreml ist das wichtigste Zentrum der Stadt. Auf seinem Territorium konzentrieren sich die städtischen Behörden.


Die Stadt wurde 1932 in Gorki (Горький) umbenannt, nach dem Schriftsteller Maxim Gorki. Nach 1990 ihren alten Namen zurück. In den 1930er Jahren erhielt Gorki den Status einer „geschlossenen Stadt“, die von Ausländern nicht besucht werden durfte. Grund dafür waren die hier ansässigen Betriebe, die auch Rüstungsgüter herstellten. 1932 wurden eine Automobil- und eine Flugzeugfabrik eröffnet. In Gorki wurden unter anderem Atom-U-Boote, Kampfflugzeuge (etwa die MiG-29 oder die MiG-31) und Panzer produziert. Erst 1991 wurde die Stadt wieder für Besucher geöffnet.

Stadion Nischni Nowgorod

 

Das Stadion Nischni Nowgorod (russisch Стадион Нижний Новгород) ist ein Fußballstadion in der russischen Stadt Nischni Nowgorod (von 1932 bis 1990 Gorki). Die Spielstätte wird ein Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 sein. Die Fußballarena am Ufer des Wolga bietet 44.899 Zuschauern Platz. Das frühere Farmteam des 2016 wegen Schulden aufgelösten Wolga Nischni Nowgorod, der FC Olimpiets Nischni Nowgorod, soll zukünftig die Anlage nutzen.

Nach dem Beginn der ersten Arbeiten im Dezember 2014 wurde im März 2015 der Grundstein gelegt. Die WM-Spielstätte erhielt von der FIFA am 23. März 2018 die Genehmigung für den Spielbetrieb. Es wurde am 15. April des Jahres mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem FC Olimpiets Nischni Nowgorod und der zweiten Mannschaft von Zenit Sankt Petersburg eingeweiht. Die Baukosten sollen bei knapp 252 Mio. Euro liegen, was 20 Mio. mehr wären als ursprünglich veranschlagt. Das Stadion Nischni Nowgorod ist einem Whirlpool nachempfunden. Es verfügte über doppelstöckige Tribünenenränge. Der Rand des Oberranges ist wellenförmig angelegt. Die Zuschauerränge werden von filigranen Säulen umgeben, die die Dachkonstruktion tragen. Die Deckung des Daches ist als einfaches Mosaik in verschiedenen Blautönen angelegt.

 

Geplante Spiele der Fußball-WM 2018 in Nischni Nowgorod. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 sollen im Neubau sechs Partien ausgetragen werden.

 

Capacity: 44,899

Completed: December 2017

Cost: $290m

Games hosted at Russia 2018: Sweden v South Korea, 18 June; Argentina v Croatia, 21 June; England v Panama, 24 June; Switzerland v Costa Rica, 27 June; Round of 16, 1 July; Quarter-final, 6 July.

 


Besuch des Stadions

 

Dies ist etwas ausführlicher als an den anderen Orten, da hier ein Spiel der Schweizer Nationalmannschaft stattfinden wird.

 

Der Besuch beginnt vor dem Lift im Hotel im siebten Stock. Vor dem Lift steht ein Mann, der eine Windjacke trägt mit der Aufschrift "Mahlzeiten TV". Er ist Russe Er legt die Kabel für die Fernsehübertragungen im Stadion – über diese Kabel gehen die Bilder dann in die ganze Welt. Im Lift sind wir dann zu viert: ein Deutscher von der gleichen Firma und einer im grünen T-Shirt: er ist von Perth Australien. Er leitet solche Kabelverlegungen für Sportanlässe. Wir reden über Fremantle, er kennt die Skulpturen unseres Freundes Tony Jones im Indian Pacific. Wir verabschieden uns unten im ersten Stock (gleich Parterre in Russland). 

     

Ich fahre mit dem Bus in Richtung Stadion. Unterwegs sehe ich ein Plakat für das Spiel Schweiz - Costa Rica am 27. Juni. Ich steige unterwegs bei der Schiff-Anlegestelle für die Flussfahrten auf der Wolga aus. Von da hat man eine schöne Sicht auf das Stadion. Es ist wunderbar gelegen, an der Einmündung des Flusses Oka in die Wolga. Es ist nicht weit vom Stadtzentrum entfernt, ca.  2 km. 

 

Das Gerüst, das man vor dem Stadion sieht, ist eine Installation, die für einen Park mit Boulevard eingerichtet wird.

 

Die Kirche daneben ist eine über 100 Jahre alt, sie wurde renoviert, zur Geschichte dann später.    

 

Das Stadion und seine Umgebung


Kirche Alexander Newskji

 

Die Kirche ist Alexander Newskji geweiht (war Grossfürst u.a. von Nowgorod im 13. Jh. Ist eine noch heute der beliebtesten Persönlichkeiten in der russischen Geschichte). Sie wurde 1881 eingeweiht. Nach der Oktoberrevolution wurde sie geschlossen. Die sollte einem grossen Lenin-Denkmal weichen. Auf dieses Projekt wurde dann verzichtet. Die Kirche verfiel immer mehr. 1984 wurde sie der Kirche zurückgegeben und renoviert.


Umgebung der Kirche
Fotos aus der Kirche

Die Fotografien zur Geschichte

 

Pläne für den Bau; Einweihung 1881

Während der Sowjetzeit


Renovation ab den 90er Jahren und Wiedereröffnung

 

 

Nach dem Besuch des Stadiongeländes geht’s zurück in die Stadt. Ich wollte zuerst auf den zentralen Maxim-Gorki-Platz gehen. Mein Taxi Chauffeur war jedoch, wie sich herausstellte, ein Georgier aus Batumi namens Nodar. Ich nahm meine paar georgischen Brocken zur Begrüssung hervor (gamardschobat, rogor brdsandebit..) Er war sehr überrascht und glücklich, einen Schweizer zu treffen, der enge Beziehung zu Georgien hat. Ich erzählte ihm von meiner Tätigkeit an der Uni in Tbilissi. Er ist zum Studium hergekommen während der Sowjetzeit, hat hier eine russische Frau kennen gelernt und ist hier geblieben. Aber er hat immer Heimweh nach Georgien. Er habe seinen Schwiegersohn letztes Jahr zum ersten Mal nach Batumi geführt, er habe dort zehn Kilo zugenommen, das Fleisch sei dort ja viel besser als hier. Mit ihm fahre ich in die Gruzinskja Ulitsa ("Georgische Strasse"), wo die Kirche von Kirill und Method liegt, ein Ort, den ich noch besuchen wollte.

 

Kirche von Kirill und Method

Die Kirche ist mit einem Frauenkloster verbunden. Sie ist innen in einem etwas naiven Stil bemalt. Kirill und Method haben die kyrillische Schrift (Kyrilliza/Cyrillica) geschaffen (immer noch Gegenstand akademischer Diskussion). Ein Besuch bei meinem Namenspatron war natürlich angesagt.

 

Danach gings zu Fuss in Fussgängerzone Bolschaja Pokrowskaja, wird auch hier «kleiner Arbat» genannt – ein sehr belebter Ort. Unterwegs wurden Antiquitäten angeboten und viele Bücher. Ich konnte zwei Büchern von Wladimir Wysocki nicht widerstehen. Das etwas besondere Gebäude in dieser Strasse ist die ehemalige russische Staatsbank, 1913 im neorussischen Stil erbaut. 

Der Nachmittag war dann dem Museumsbesuch gewidmet. Zuerst das Arsenal auf dem Kreml (mit dem das Philosophicum Basel eine Zusammenarbeit hat. Leider war heute Schliesstag. Eine Sonderausstellung mit dem Titel „Gol“ ist dem Fussball gewidmet). Dann in das Kunstmuseum, in dem russische Kunst ausgestellt ist. Zuerst sehr schöne Ikonen. Dann Werke von Schischkin, Repkin, Serow. Die Improvisation Nr.4 von Kandinsky (habe ich noch nie gesehen). Im obersten Stock hat es eine Sonderausstellung von einem Künstler namens Iwan Fedorowitsch Choultsé  (Schultze) (1874–1939). Landschaftsbilder mit einem fast magischen Realismus, zum Teil in sehr extrem belichteter Weise. So sind auch Bilder aus dem Engadin mit seinem unvergleichlichen Licht zu finden. (Die Bilder mit russischen Landschaft haben ein diffuseres Licht, weniger scharf als das Engadin).

 

Beide Museen befinden sich im Kreml. Dieser ist viel breiter und grosszügiger als der etwas engere Kreml von Kasan. Auf der Strasse vor dem Kreml fand wiederum eine Generalprobe für die Parade am 9. Mai (Kranzniederlegung).

 

Ich besuche in der Philharmonie «Mstislav Rostropovich» auf dem Kremlgelände einen Liederabend mit Kosakenliedern. Eine volkstümliche Programmgestaltung mit hochklassigen Sängerinnen und Sänger, begleitet am Klavier. Vom 19. Mai bis 8. Juni findet das internationale Kunst-  Musikfestival im Namen von Andreij Sacharow statt, welcher hier 1908 - 1986 in der Verbannung lebte.

Das Konzert war dann rechtzeitig bei Sonnenuntergang fertig. Vor dem Grab des unbekannten Soldaten mit Sicht auf die Wolga fand eine Generalprobe für den 9. Mai statt (Kranzniederlegung).

 

Exkurs 

 

Bei den Fahrten sind mir an vielen Orten grosse Kreuze aufgefallen, die ich bis jetzt nicht bemerkt hatte. Ich bin dem nachgegangen und habe eines dieser Kreuze näher angesehen. Es sind die Kreuze an Orten, an denen früher Kirchen standen. Sowie die „Braunen“ die Synagogen zerstört haben, so haben ein Jahrzehnt zuvor die „Roten“ unzählige Kirchen und Klöstern zerstört. Und wie man bis heute Gedenkstätten für Synagogen einrichtet (siehe etwa den neu gestalteten Platz der grossen Synagoge in Freiburg im Breisgau), so werden hier die Kreuze aufgestellt zum Andenken an diese Zerstörungen.

 

 

Nishni Novgorod 8. Mai
Ausstellungen im Arsenal
 
Generationen der Familie Volkov mit Fussballszenen und berühmten Fussballern. Allen voran Lew Jaschin, der wohl berühmteste im Westen (Torhüter, „Der Schwarze Panther“), Slawa Metreweli, Valeri Voronin etc.
Die zweite Ausstellung der zeitgenössischen Kunst gewidmet „Discovering the Landscape“ und schliesslich ein Graphik Ausstellung „Jurji Sobolew“.
Interessant, dass das Museum einen Flyer hat: „Instruktion für das Versändnis der zeitgenössischen Kunst“ - eine interessante Anleitung (zu Dokumenationszwecken hier, ohne Übersetzung).

Abschied von Nishni Novgorod

 

Nishni Novgorod ist eine Stadt mit Grösse. Mit einem erkennbaren Zentrum, alle wichtigen Punkte sind an sich leicht erreichbar. An sich - das grösste Problem in dieser Stadt scheint der Stau zu sein. Die Strassen sind keine breiten Alleen, alles schlängelt sich durch relativ schmale Strassen. Dies schränkt die eigentlich hohe Lebensqualität ein. 

Das neue Stadion ist sehr schön gelegen, man hat die Glegenheit ergriffen, in diesem Berich eine neue Erholungszone an der Mündung der Oka in die Wolga zu schaffen. 

Nishni Novgorod - Saransk 8. Mai

Weg von Nishni Nowgorod nach Saransk

 
Diese dritte Blablacar Fahrt war offenbar eine Prüfung. Ich habe mit Igor abgemacht um 15:00 Uhr. Er hat mich dann angerufen, ob das such früher möglich sei. Ich war dann um 14:00 Uhr am Treffpunkt bei einem Hotel. Als er  meinen Koffer sah – ich hatte ihm das gemeldet, dass ich einen dabei habe inkl. Handgepäck – sagte er, das ist nicht möglich. Wir gehen dann trotzdem zum Auto, aber das war bis unter das Dach mit Gepäck angefüllt. Er war mir behilflich, einen anderen Fahrer zu finden, mit dem ich auf 15:00 Uhr abmachen konnte. Dieser Fahrer Evgenji, der keine Bewertung hatte bei Blablacar, also Neuling, hat dann angerufen, er komme 20 Minuten später. Als er dann immer noch nicht da war, habe ich angerufen, das Telefon war nicht in Betrieb. Ich habe dann auf eigene Faust einen anderen, dritten Fahrer gebucht: Nikolaj, dem ich angeboten habe, zu seinem Treffpunkt zu kommen. Er hat mir jedoch vorgeschlagen, mich an dem Ort, wo ich mich jetzt befinde, abzuholen.
Etwa um 16:15 Uhr rief mich dann der zweite Fahrer nochmal an, er komme  jetzt in „20 Minuten“. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich jetzt eine andere Variante gefunden habe und er meinte nur dazu – auch dies ein sehr üblicher Begriff im russsischen Leben – ну ладно (nu ladna) auf Schweizerdeutsch: jänusode (ok, ist halt so).
Diese Fahrt ist von den Passagieren her speziell. Es gab ständige Wechsel, es steigen welche aus, andere steigen ein. Vollbesetzung ist bei fünf Personen. Eine etwa halbstündige Strecke bin ich allein mit dem Fahrer Nikolai gefahren, ein sehr höflicher 25 Jähriger. Er hat sein Ökonomie Studium abgeschlossen, seine Verlobte schliesst demnächst in Saransk das Medizinstudium ab. Er pendelt daher zwischen den Städten und hat dabei Blablacar entdeckt. Findet er eine sinnvolle und auch spannende Sache.
Ich bin für die 280 km von 17:30 bis 22:00 Uhr unterwegs, etwas 4 Stunden reine Fahrzeit. Landschaftlich und stimmungsmässig sehr schön: bei Sonnenuntergang durch Birkenalleen. Die Fahrt endet typisch russisch. Zuletzt verbleiben neben dem Fahrer ein junger etwa 20Jähriger und ich. Es wird beschlossen, dass wir beim Autobusbahnhof aussteigen, der Junge wird mir behilflich sein, ins Hotel zu kommen. Wir halten in einer Gewerbezone. Weit und breit niemand. Ich steige aus. Man hilft mir mit dem Koffer. Und plötzlich steht da wie aus dem Nichts ein alter Lada - mein „Taxi“, den der Junge organisiert hat. Der Fahrer und der Junge verabschieden sich. Ich steige in den uralten Lada mit seinem typischen Lada Geruch ein. Oleg ist ein guter Gesprächspartner, führt mich in Saransk, der Hauptstadt der Republik Mordwinien, ein. Wir reden auch über Russland und den Westen. Und er bringt es so auf den Punkt: Im Westen ist das Leben leichter, in Russland interessanter. Ich kann - auch nach meiner heutigen Erfahrung - nicht widersprechen. Ich erreiche das Hotel, man spürt auch da, was Oleg mir sagte: Saransk ist eine kleine Stadt, nur 300‘000 Einwohner (die etwa 15 minütige Fahrt kostet 100 Rubel, CHF 1.50). So wird denn auch mein Schweizer Pass an der Rezeption des Hotels von der jungen Tatjana als etwas Exotisches betrachtet. Ich muss ihr den Pass erklären, wo das Visum, wo die Passangaben. Wie wird das sein, wenn 40’000 Zuschauer zu den Fussbalmatches mit Peru, Dänemark, Kolumbien, Japan, Iran, Portugal, Panama und Tunesien kommen werden? Schliesslich für mich heute: Ich fühle mich willkommen.
Im Hotel dann zum Abschluss des Tages im Fernsehen die Verlängerung und das Penaltyschiessen des WM Eishockey Matches Tschechien - Schweiz. Die russischen Kommentatoren zeigen sich am Schluss überrascht von dem phasenweise sehr starken Spiel der Schweizer. 

Saransk 9. Mai

 

Saransk (russisch Сара́нск, mokschanisch Саранош/Saranosch, ersjanisch Саран ош/Saran osch) ist eine Stadt in Russland und Hauptstadt der Republik Mordwinien mit 297.415 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010).

 

Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2010 zählt Saransk zu den lebenswertesten Städten Russlands.

 

 Das Gebiet des heutigen Mordwinien war bereits im sechsten Jahrhundert von finno-ugrisches Völkern bewohnt. Gleichberechtigte Amtssprachen in der Mordwinischen Republik sind die beiden mordwinischen Sprachen Ersjanisch und Mokschanisch sowie das Russische. Die Mehrheit der Bevölkerung bekennt sich zur Russisch-Orthodoxen Kirche.

 

Im frühen Mittelalter gehörte das Gebiet zum Einflussbereich der Wolgabulgaren und der Kiewer Rus. Nach dem Mongolensturm wurde die Region von der Goldenen Horde kontrolliert. Nachdem Iwan IV. das Khanat Kasan besiegte, kam Mordwinien unter russische Herrschaft. Die mordwinische Oberschicht übernahm schnell die russische Kultur und die christlich-orthodoxe Religion, während die einfache Bevölkerung lange an ihrer ursprünglichen schamanischen Religion festhielt. Erst im 18. Jahrhundert setzte eine flächendeckende Christianisierung in Mordwinien ein.

 

1934 wurde Saransk zur Hauptstadt der neu gebildeten Mordwinischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik. 1990 wurde Mordwinien eine autonome Republik innerhalb Russlands.

 

Saransk entstand aus einer Siedlung, die 1641 als Fort an der südöstlichen Grenze des Russischen Zarentums errichtet wurde. Diese Gegend war zuvor vorwiegend vom finno-ugrischen Volk der Mordwinen besiedelt. Dementsprechend entstammt der Ortsname der mordwinischen Sprache, wo sara so viel wie „Sumpf“ bedeutet, was die hiesige Landschaft treffend zu beschreiben vermochte.

 

1651 wurde die Festung zur Kreisstadt erhoben. 1670 fiel sie zeitweilig an die aufständischen Bauern um Stenka Rasin, und auch im Pugatschow-Bauernaufstand hundert Jahre später diente Saransk den Rebellen als einer der Stützpunkte. Zu jener Zeit lebten auf dem annähernd rechteckigen Festungsgelände vorwiegend Kosaken und Strelizen.

 

Nach der Ausdehnung der Grenzen des Zarenreichs bis zum 18. Jahrhundert verlor die Stadt ihre militärische Bedeutung. Seit diesen Zeiten entwickelten sich hier der Handel (vorwiegend mit Ledern, Wachserzeugnissen und landwirtschaftlichen Produkten) und kleinere Industrie. Im 19. Jahrhundert wurde Saransk dreimal von Großbränden verwüstet und danach neu erbaut. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in der Stadt etwa zwei Dutzend Manufakturen und bereits deutlich über 10.000 Einwohner.

 

Die Verlegung der Eisenbahnlinie von Moskau nach Kasan über Saransk im Jahre 1893 steigerte die Bedeutung des Ortes als Handelsstadt erheblich. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde die Altstadt umgestaltet. 2013 meldete Gérard Depardieu hier einen Wohnsitz an.

 

 

Mordovia Arena in Saransk
Mordovia Arena in Saransk

Stadion Mordowia Arena

 

Die Mordowia Arena (russisch Мордо́вия Аре́на) ist ein Fußballstadion in der russischen Stadt Saransk, Republik Mordwinien. In der Anlage sollen vier Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ausgetragen werden. Die Fußballarena wird zukünftig die Heimat vom Fußballclub Mordowia Saransk.

Zu Beginn der WM 2018 soll das Stadion 44.442 Sitzplätze besitzen. Nach Abschluss des Turniers soll das Stadion auf eine dauerhafte Kapazität von 28.000 Plätzen zurückgebaut werden. Nach vorläufigen Planungen soll die Form und Farbe der neuen Arena der roten Sonne in der Flagge von Mordwinien ähneln.

Der Baubeginn fand im Jahr 2010 statt, als in der Region Wolgograd Straßen in den Auen des Flusses Insar gebaut wurden. Ursprünglich war die Fertigstellung des Stadions für 2012 geplant und sollte mit zwei Ereignissen: dem 1000. Jahrestag der Vereinigung Mordwiniens mit den Völkern des russischen Staates und den Olympischen Spielen 2012. Anschließend wurde die Eröffnung des Stadions auf 2017 verschoben. Die Baukosten werden bei 15,88 Mrd. RUB erwartet, der Entwickler ist die Firma „Sports Engineering“. Am 9. April 2018 erhielt das Stadion von der FIFA die Genehmigung für den Spielbetrieb. Die Mordowia Arena ist eine der letzten Spielstätten der WM, die die Betriebsgenehmigung erhielt. Nur die Kosmos-Arena in Samara ist noch im Bau. (Wikipedia 19.4.2018)

 

Capacity: 44,442

Completed: Early 2018

Cost: $300m

Games hosted at Russia 2018: Peru v Denmark, 16 June; Colombia v Japan, 19 June; Iran v Portugal, 25 June; Panama v Tunisia, 28 June.

 

Besuch Mordovia Arena

Ich frage am frühen Morgen den Taxifahrer vor dem Hotel, ob er mich zur Mordovia Arena führen würde. Igor ist von beiden Elternteilen her Mordwine, geboren ist er jedoch in Krasnojarsk, wo sein Vater in einer Mine gearbeitet hat. Mit fünf Jahren ist die Familie nach Saransk gekommen. Die Mordovia Arena liegt ganz nah am Stadtzentrum. Es ist ein architektonisch in sich geschlossenes Ganzes mit der Farbe Orange von Mordwinien. In der Umgebung ist ein ganz neues Viertel entstanden mit farbigen Hochhäusern. Igor sagt mir, dass vor zwei Jahren hier noch die Frösche gequakt haben. Wir fahren rund um die Arena herum, sie ist weiträumig abgesperrt, es werden noch letzte Umgebungsarbeiten ausgeführt.

Fan ID Center

 

Hier in Saransk ist der erste Ort, wo ich ein geöffnetes Fan ID Center finde. Die Prozedur geht so: man kauft ein Ticket für einen Match, und dann registriert man sich beim Fan ID Center resp. über die website (siehe https://www.fan-id.ru/get.html). Mit dieser ID kann man dann ohne Visum nach Russland einreisen (mehrfache visafreie Einreise nach Russland vom 04. Juni bis zum 15. Juli 2018 und Ausreise bis 25. Juli 2018. Bilder aus dem Fan ID Center).

Saransk - 9. Mai

Nach den üblichen Fotos beim Stadion fahre ich mit Igor zum Autobus Bahnhof, wo ich mir ein Billet kaufe für den Autobus morgen von Saransk nach Toljatti (ich habe im Blablacar kein überzeugendes Angebot gefunden), und ich nutze gerne wieder einmal den Autobus. Kostet etwa doppelt so viel wie Blablacar, (16 CHF für die 450 km). An der Busstation steht eine Schlange von Menschen, die auf die Datscha gehen. Danach fahre ich zum zentralen Markt, der gerade frisch geöffnet hat. Anschliessend ein Bummel durch das Zentrum.

 

Heute am 9. Mai ist bekanntlich ein grosser Festtag in Russland: Ende des Zweiten Weltkrieges (oder wie es hier heisst: des Grossen Vaterländischen Krieges). Die westlichen Staaten feiern dies am 8. Mai. Da die Übersetzung der entsprechenden Urkunde erst nach Mitternacht fertig war, konnte die russische Version erst am 9. Mai frühmorgens unterzeichnet werden.

Im Westen ist vom 9. Mai eigentlich nur die grosse Parade auf dem Roten Platz in Moskau bekannt (mit Überschriften wie «Muskelspiel» etc. auch dieses Jahr). Der 9. Mai ist jedoch viel mehr. Ich habe ihn vor drei Jahren in Omsk erlebt und nun hier in Saransk. Die Parade ist ein relativ kleiner Bestandteil des Programmes des heutigen Tages. Mehr Raum nehmen jedoch das riesige Volksfest in verschiedenen Parks ein und der eindrückliche Umzug des so genannten «Regiment der Unsterblichen» (Бессмертный полк). Dieser Zug findet hier separat von der Militärparade am Nachmittag 15:00 Uhr statt. Es ist ein riesiger Zug von unzähligen Menschen mit Plakaten ihrer Verstorbenen. Allein im zweiten Weltkrieg sind 27 Millionen Russen gestorben, dazu weitere Dutzende Millionen im letzten Jahrhundert aus politischen Gründen. Wenn man dieses Regiment der Unsterblichen sieht, so wird einem wieder der Ausspruch verständlich: «каждая семья» - «jede Familie» hat ein Opfer zu beklagen. Da der Respekt für die älteren Generationen hier noch Tradition hat, ist dies auch eine der Grundlagen für dieses Andenken – und des grossen Erfolges dieses Zuges (erst vor wenigen Jahren aus privater Initiative gegründet). Vieles, was wichtig ist für das Verständnis von Russland, lässt sich hier ablesen. Lassen wir die Bilder sprechen.
  

 

Bilder von der Parade, mit Veteranen, mordwinischen Trachten etc.

Bilder vom Regiment der Unsterblichen

Bilder vom Volksfest in einer der Parkanlagen, hier der Puschkin Park in Saransk mit Aufführungen im open air Theater

... und auch das gehört  zu einem grossen Fest - das Feuerwerk

Abschied von Saransk

Die relativ kleine Stadt mit ca. 300,000 Einwohnern hat offensichtlich in baulicher Hinsicht einen radikalen Umbruch durchgemacht. Eine Altstadt mit Fussgängerzone gibt es nicht. Das Zentrum ist mit neuen Bauten bestückt. In der Umgebung des Zentrums hat es viele neue Wohnbauten gegeben. Ich habe ich mich in dieser Stadt wohl gefühlt, obwohl sie noch keine Patina angesetzt hat. Ich werde die Stadt in guter Erinnerung behalten nicht zuletzt wegen dem eindrücklichen und fröhlichen Fest des 9. Mai.

 

Saransk - Toljatti 10. Mai

Autobusfahrt von Saransk nach Toljatti

 

 

Mit dem Taxi fahre ich zum Autobusbahnhof, der etwas ausserhalb der Stadt gelegen ist. Abfahrt ist um 07:20, ich bin um 06:40 da. Das Ticket habe ich gestern gekauft. Es gibt Schranken von der Wartehalle zu den Bussen. Die Schranken öffnen sich mit Strichcode – also modern eingerichtet.
In der Wartehalle sind etwa 20 Passagiere und etwa gleich viel Taxichauffeure, die auf ankommende Passagiere warten. Der Bus fährt von Plattform 2. Er hat etwa 20 Plätze, besetzt sind 5. Ich habe Platz Nr. 3 im Bus. Etwas Probleme verursacht mein Koffer, der verstaut werden muss. Im Kofferraum wird noch eine halbe Werkstatt mitgeführt. Noch etwa 100 km Fahrt erhalte ich vom Fahrer ein kleines Zettelchen als Quittung für das Gepäck: 100 ₽.

 

Fahren mit dem Autobus hat einen anderen Rhythmus als mit dem Auto (Blablacar), das auf Geschwindigkeit aus ist. Der Bus hält an einigen Haltestellen in den Autobusbahnhöfen, man kann sich die Füsse vertreten, in typisch russischen Dorfläden etwas einkaufen, Kaffee oder Tee besorgen. Die Fahrt ist gerade jetzt in dieser Jahreszeit landschaftlich sehr schön: die zarten gelblich-grünen Frühlingsblätter der Birken.

 

Die Fahrt dauert von 07:20 bis 12:00 Uhr (respektive 13:00 Uhr – da wir die Zeitzone wieder gewechselt haben, es ist nicht mehr Moskauer Zeit) bis nach Uljanowsk. Dort gibt es 1 Stunde Aufenthalt für die Mittagspause. Die Fahrt geht weiter um 14:00 Uhr Lokalzeit und endet 18:30 Uhr in Toljatti. Also insgesamt rund 9 Stunden im Bus unterwegs für die rd. 450 km lange Fahrt. Der Fahrer – er hat die Postur eines Schwingers – ist für die Passagiere nicht sehr kommunikativ. Wir müssen immer fragen: wie lange haben wir jetzt Aufenthalt bei diesem Autobusbahnhof. Seine Antwort war meist, wir fahren dann, wenn alle da sind. Für die ganze Reise sind wir drei Personen. Unterwegs steigen Passagiere zu, bleiben eine Zeit lang und steigen dann wieder aus, oft auch mitten auf der Strecke (um etwa in ein nahe gelegenes Dorf zu kommen). 

 

Bei jedem Halt kommt uniformiertes Kontrollpersonal in den Bus, es sind immer Frauen, die eine Handvoll Listen handgeschrieben bei sich haben und die Passagiere  kontrollieren. Dies erinnert an alte Sowjetsystem–Kontrollen (jetzt zwar nicht mehr  unangenehm, einfach unnötig bürokratisch). 

 

Bilder von unterwegs

 

Der Aufenthalt in Uljanowsk vermittelt einen etwas miefigen Eindruck, entsprechend dem Eindruck der Stadt, die wir durchfahren. Das Erbe, Geburtsort Lenins zu sein, lastet offenbar. Dann noch: ich sehe in der Stadt eine Aufschrift Straße des 12. September (ein Datum, das mir sehr nah ist). Ich google, da mir dieses Datum als Gedenktag nicht bekannt ist. Das Ergebnis: der Gouverneur von Uljanowsk hat 2007 den „Tag der Empfängnis“ ausgerufen. Es ist der Tag neun Monate vor dem Nationalfeiertag am 12. Juni. Mit diesem Tag soll die Geburtenrate gesteigert werden, die Eltern werden belohnt (Kühlschrank, Auto, Geld). Eine Geschichte, die zwiespältige Gefühle hinterlässt.

 

Bilder von Uljanowsk

 

Ankunft im Lada-Resort Toljatti

Mit dem Taxi fahre ich vom Auto Busbahnhof zum Lada–Resort (Lada – der Name der Autofabrik hier: fast jedes zweite Auto ist ein Lada. Das Auto hat Kultstatus in Russland). Dort wird die Schweizer Fußballnationalmannschaft Quartier haben während der Fußball Weltmeisterschaft. Dieses Resort liegt etwas außerhalb der Stadt an der Wolga, sehr schön gelegen, etwas abgeschieden. Vor dem Hotel weht schon die Schweizer Fahne, in der Rezeption hängt der Wimpel des schweizerischen Fußballverbandes. Lidija begrüßt mich an der Rezeption (sie spricht auch deutsch und englisch). Ich bin hier offensichtlich einziger Gast. Auffallend ist für mich, dass im Lift das Parterre mit „0“ bezeichnet ist, nicht wie sonst üblich In Russland mit „1“.  Ich beschreibe diesen Ort im Hinblick auf die WM etwas näher.

 

Bilder vom Lada–Resort

 

Bilder vom Zimmer
Mein Zimmer im fünften Stock hat eine sehr schöne Aussicht auf die Wolga und die Schiguli Berge resp. Hügel  (Schiguli war ebenfalls ein Name für ein hier produziertes Auto in den Lada-Werken). Das Zimmer ist geräumig eingerichtet mit neuen Möbeln.

 

Bilder vom Restaurant
Ich habe das Restaurant ausprobiert. Es ist Partner von "Goût de / Good France", eine Initiative, die unter dem Patronat der französischen Regierung steht, um - wie es auf der Website des Aussenministeriums unter dem Stichwort "Kulturdiplomatie (!)" heisst - : «…pour faire rayonner l’excellence de la gastronomie française en France et à l’international. »

Siehe dazu die websites von «GOÛT DE/GOOD France»: http://restaurateurs.goodfrance.com/fr/restaurants-participants

(für das Lada-Resort: http://restaurateurs.goodfrance.com/fr/user/6727#profile-main).

 

Ich bin einziger Gast, Sergeji ein aufgeweckter junger Russe, bedient mich. Bedienung und Küche sind wirklich exzellent. Ich habe bestellt: Pilzcremesuppe, Beef Stroganoff. Mineralwasser und Tee. Als Gruss aus der Küche erhalte ich Sakuski: Hering auf Gurke und Speck auf Olive, dazu ein Glas Wodka. Es war das teuerste Essen auf dieser Reise: 1'450 Rubel (CHF 23)... Eine ausgezeichnete Küche.

 

Toljatti 11. Mai

Frühstück 

Auf dem Weg zum Frühstück gehe ich an dem Muster des Massagetisches für die Schweizer Nationalmannschaft vorbei. Das Frühstück ist ausgezeichnet in Auswahl und an Qualität. Es hat ein Angebot mit russischem (Kascha, Blini) und kontinentalem Frühstück in reicher Auswahl. Und schliesslich treffe ich noch die Kaffeemaschine Jura von Roger Federer... 
Aygul aus Bakortostan, die den Frühstücksaal betreut, bietet mir noch einen frischen Kaffee nach Barista Manier an - sehr gut. 
Ich treffe zwei Mitglieder des Trainerstabes der russischen Handball Nationalmannschaft. Sie sind beide sehr begeistert von der Direktorin dieses Hotels und vom Direktor des Restaurants. Ein sehr beliebter Ort für Sportmannschaften für die Vorbereitung von Spielen auf internationalem Niveau. 
 

 

Toljatti (russisch: Тольятти) ist eine Stadt in Russland in der Oblast Samara. Mit 719.632 Einwohnern ist sie nach der Gebietshauptstadt Samara die zweitgrößte und -wichtigste Stadt der Oblast. Toljatti ist vor allem durch die dortigen Lada-Werke bekannt. 

1737 wurde die Stadt nach einem Dekret der Zarin Anna als Niederlassung für christianisierte Kalmücken durch Wassili Tatischtschew gegründet. Im Jahr 1955 versank nach Abschluss der Bauarbeiten für das Wolga-Wasserkraftwerk der größte Teil der historischen Altstadt in den Wolgafluten. Die Stadt wurde am linken Wolgaufer wiederaufgebaut.

Ursprünglich hieß die Stadt Stawropol (Stawropol-Wolschskij) (Ставрополь-Волжский, Stawropol; nicht zu verwechseln mit Stawropol, Hauptstadt der gleichnamigen Region in Südrussland); die Umbenennung in Toljatti (Transkription der kyrillischen Schreibung) erfolgte 1964 nach dem italienischen Kommunisten Palmiro Togliatti. Dieser lebte während der italienischen Diktatur im Exil in der Sowjetunion und war nach dem Krieg Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und ein führender Vertreter der internationalen kommunistischen Bewegung. Ironischerweise war er in den 1920er-Jahren an Streiks beteiligt gewesen, welchen denselben Fiat-Konzern fast in den Ruin getrieben hatten, der nun für die Stadt derart wichtig wurde.

Die wirtschaftliche Rolle der Stadt war mit dem Bau der AwtoWAS-Werke durch Fiat ab 1966 enorm gewachsen (AwtoWAS - russisch АвтоВАЗ, AvtoVAZ; anfänglich russisch Волжский автомобильный завод, Wolschskij awtomobilny sawod, „Wolga-Automobilwerk“ - ist der größte Hersteller von Autos in Russland: Lada als Hauptmarke. Hauptaktionär nun: Renault).

 

 

 

Stadtrundfahrt

Im Hotel hat sich mein Interesse herumgesprochen. Der Fahrer des Hotels, Kirill,nimmt mich im Hotelauto mit auf eine Stadtrundfahrt. Erstes Ziel ist ein Apparat, mit dem ich meine prepaid sim-Karte Megafon aufladen kann (wir finden den in einem Einkaufszentrum, es ist ein Bankomat, der wie üblich hier diese Funktionen des Aufladens so wie noch viele andere Funktionen beinhaltet. Ein solcher Apparat fehlt jedoch im Lada-Resort).

Die Stadt besteht eigentlich aus drei Städten: dem Automobilrayon, dem zentralen Rayon und dem Komsomolskji Rayon. Diese liegen wie separate Städte auseinander. Wir sehen den grossen Fabrikkomplex, wo die Lada Autos hergestellt werden, dieser Stadtteil heisst „Autofabrik-Stadtteil". Dort befindet sich auch die grosse Militärtechnik Ausstellung vom U-Boot bis zum riesigen Militärtransport Helikopter. Dort begegne ich beim Eingang Alexander (siehe Bild, in Uniform, für die Ausstellung tätig). Als er erfährt, dass ich aus der Schweiz bin, sagt er: "Schön, nun kann ich etwas mehr über das Rätoromanische erfahren". Etwas überrascht nehme ich den Pass hervor, wir gehen die Texte mit Rätoromanisch durch (hinten im Pass hat es einen längeren Text) und plötzlich rezitiert er ein längeres Gedicht: auf lateinisch. Am Schluss fragte ich ihn: von Ovid?, was er freudig bejahte. Er habe Romanistik studiert, als Basis Latein und sei da auch auf das Rätoronaische gestossen, was ihn fasziniert habe. Und das alles spielt sich beim Eingang zu einer militärtechnischen Ausstellung ab ...

Im zentralen Stadtteil befinden sich die Gebäude der Administration, die ewige Flamme des unbekannten Soldaten, das Theater und die Philharmonie. Unterwegs gibt Kirill auf der Migrationsamt die Registrierungsscheine des Hotels ab. Dort sind auch die Menschen aus den -stan Staaten, die auf die Aufenthaltsbewilligung warten.  Die Stadt ist geprägt von den Industrien (neben den Autos auch Chemie). Es gibt eigentlich kein belebtes, urbanes Zentrum.

 

Bilder von der Stadtrundfahrt

Rundgang im Hotel und Gespräche

Im Hotel treffe ich die Direktorin Oxana, mit Elena besuche ich den ganzen Hotelkomplex. Er ist aus einer früheren sogenannten Turbasa (Unterkunft für russische Touristen) entstanden. Die Gebäude wurden und werden nun für die touristischen Zwecke umgebaut. Mit Jana, der Projektmanagerin für besondere Veranstaltungen oder Besuche, wie auch die Betreuung der schweizerischen Nationalmannschaft, treffe ich mich zu einem ausführlichen Gespräch über verschiedene Themen des Tourismus, der Stadt etc.

Reisen der Schweizer Nationalmannschaft

Toljatti - Moskau - Zürich/Basel 12. Mai

Toljatti - Moskau - Zürich/Basel

 
Erste Etappe: Lada–Resort Toljatti – Flughafen Kurumoch
 
Der Weg vom Lada–Resort Zum Flughafen Kurumoch – Flughafen für Samara und Toljatti – beträgt ca. 60 km, gute, breite Straße. Kirill  fährt mich ruhig punktgenau in einer Stunde vom Hotel zum Flughafen. Der Flughafen ist neu gebaut, großzügig, hell und sehr gut, modern eingerichtet. Für den ganzen Flughafen ein freies Wi-Fi (man muss sich mit der Mobil Telefonnummer registrieren, geht einfach). Es hat hockerartige Sitzgelegenheiten in Kleeblattform und dahinter jeweils vier Steckdosen. Auch in jedem Restaurant gehören Steckdosen zur Grundausrüstung.
Das Eincheck-Procedere geht sehr schnell inkl. Security Kontrolle, alles in allem 10 Minuten.
Hier ein paar Bilder zu dieser ersten Etappe.
Zweite Etappe: Flug nach Moskau und Terminalwechsel
Das Flugzeug ist eine Suchoi Superjet RRJ 100-95B. Es wird im Kurz- und Mittelstreckenbereich eingesetzt. Alle übrigen Aeroflot Flugzeuge sind von Airbus oder Boeing.
Flug von Samara nach Moskau SU 1211, Abflug 12:10, Ankunft 13:30 (Moskauer Zeit 12:30). Flugzeit 1 h 20. 
Bei der Ankunft sonniges Frühlingswetter.  
Der Terminalwechsel nun schon Gewohnheit. Keine Probleme. Ankunft im Terminal F um 13:30 - die Türen zu den Flügen öffnen erst um 15:00. 
Dritte Etappe: Moskau – Zürich und dann nach Basel

Nach der Öffnung der Türen zu Passkontrolle, Security steht dort eine Schlange von etw 300 Chinesen. Ich werde an einen anderen Schalter gewinkt. Passkontrolle und Security gehen schnell. Der Abflug ist auf dem zweiten Stock, ein neue eröffnete Ebene (bisher kannte ich nur den ersten Stock). Hier hat es auch neue Einrichtungen: "Kapsel" Hotelzimer für 4 Std. Minimum (4000 Rubel) oder eine GoSleep Kiste (etwas günstiger: 350 Rubel/Std. bis 1'300  für 3 Std.).

Flug von Moskau nach Zürich SU 2392, Boeing 737-800, Abflug um 18:40 Moskauer Zeit (Schweiz: 17:40) Ankunft um 21:36 (20:36 LokalZeot). . Flugzeit 3 Stunden. Zürich mit 23°. Mit dem Zug fahre ich schliesslich nach Basel.

Distanzen (Luftlinien)

 

Basel – Moskau: 2.241,39 km

Moskau – Samara: 856,94 km

Samara – Kazan: 295,49 km

Kazan – Nishni Nowgorod: 323,52 km

Nishni Nowogorod - Saransk: 249,88 km

Saransk - Toljatti: 287,47 km

Toljatti – Samara: 62 km.     



Ein Rückblick
Ziele
Die Ziele habe ich oben zu Beginn des Blogs genannt. Ich habe sie - wie auch der Blog zeigen mag - erreicht. 
Zum „low cost“ - Ziel: ich wollte die ganze Reise mit Kosten unter 1000 CHF realisieren (exklusiv den Flug, effektiv habe ich dafür nur 40 € - Steuern und Flughafentaxe – bezahlt, da ich einen Freiflug bei Aeroflot einlösen konnte).
Dieses Ziel konnte ich ebenfalls erreichen. Um die Kostenstruktur generell sichtbar zu machen, habe ich bei einzelnen Positionen die Preise erwähnt.
Noch zu den Hotels: ich habe in den ersten drei Städten das Ibis gewählt. Diese sind in den meisten Städten zentral gelegen, es funktioniert, alles ist am gleichen Platz (die Ibis gibt es bis weit nach Sibirien). In Saransk gibt es noch keines, dort war ich im Park Hotel, gerade neben dem Puschkin Park. In Toljattti aus gegebenem Anlass im Lada-Resort, dort wo die Schweizer Nationalmannschaft während der WM ihr Quartier hat.
Logistik
Diese Reise war eine ziemliche logistische Herausforderung. Ich habe alles selber organisiert, entweder von zu Hause aus per Internet oder während der Reise vor Ort. Am Anfang stand das Design: wie gelangt man in zwölf Tagen in diese fünf Städte, zu vier Stadien.
Dies ist alles aufgegangen. Ich hatte keine Probleme mit den doch sehr weiten Wegen. Dann noch zur „inneren“ Logistik: immer griffbereit: Pass, Kreditkarte, kleine Banknoten (100 und 500 Rubel), Kleingeld für Bus, Tram, Marschrutka - alles in Taschen mit Reissverschlüssen (Hose oder Kittel). 
Eine grosse Hilfe bei der Planung und dem Zurechtfinden in der Stadt und unterwegs war die Karte Yandex. Dort habe ich pro Stadt jeweils die wichtigen Punkte markiert. 
Schliesslich hat es sich gelohnt, eine russische sim-card zu besorgen (Megafon: Prepaid, 300 Rubel mit 20 GB und 800 Minuten).
Dies alles hat die notwendige Beweglichkeit für das Unternehmen ermöglicht. Einer der Blablacar Fahrer hat als Beurteilung für mich abgegeben: ... noch flink für 69 Jahre ))).. So steht es nun in der App.
Reiseprogramm - wie hat es geklappt?
Obwohl viele Systeme nun auf dem üblichen Standard der Organisation und der Prozesse sind, war es ab und zu eine gewisse Anspannung, ob es klappt. Es hat jedoch keine wesentlichen Probleme gegeben (bei Blablacar von Nishni waren die drei Anläufe, einen Fahrer zu finden, das auf der Reise grösste Problem).   
Welche der fünf Städte ?
Wenn ich zu wählen hätte, in welche der fünf Städte ich für einen längeren Aufenthalt zurückkehren möchte, so würde ich Kasan wählen. Eine relativ kompakte Stadt, belebt, gutes kulturelles und kulinarisches Angebot. Eine von alters her gewachsene Stadt. Eine gesellschaftlich "mehrdimensionale" Stadt. 
In zweiter Linie würde Nishni Novgorod stehen.
Fazit, Dank und Wunsch
Diese Reise hat sich für mich sehr gelohnt, hat meine Kenntnis von Russland, den Menschen, der gesellschaftlichen Situation vertieft. 
Ich bin Monika sehr dankbar, dass ich solche Reisen machen kann. Ich stand mit ihr immer in Kontakt (via WhatsApp und Facetime). Einen ganz herzlichen, lieben Dank.
Und der Wunsch: ich möchte auch durch diesen Blog erreichen, dass man einen direkten Einblick erhält, Russland (besser) verstehen kann. Das Bild im Westen ist nicht zuletzt durch politische Interessen stark geprägt. Die Realität ist nicht schwarz - weiss,  gut - böse. Sie ist farbig. Und schliesslich sind wir, ob wir wollen oder nicht, eine grosse Familie auf diesem Planeten, die Russen sind unser direkter Nachbar. Versucht, ein eigenes Urteil zu bilden, es lohnt sich. 
CH, 12.5.2018